Expeditionstour zur Mecklenburger Seenplatte
Donnerstag, 14.07.1994
Wir schrieben das Jahr anno 1994. Die Expeditionsfahrt des KC-Dahl unter Leitung des berühmten Kanuführers Werner Nockemann zur Mecklenburger Seenplatte stand kurz bevor. Alle Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Der Handelshof in Lüdenscheid mußte wegen Ausverkauf sämtlicher Lebensmittelvorräte geschlossen werden. Die berühmt-berüchtigte Adelskronen Brauerei hatte in diesen Wochen eine Umsatzsteigerung von über 600% im Bereich der 5l Partyfäßchen zu verzeichnen.
Schwerwiegende Diskussionen der Expeditionsmitglieder mit der Fahrtenleitung über Sicherheitsfragen schien das Unternehmen "Mecklenburger Seenplatte" kurz vor dem Start zum Scheitern zu verurteilen. Würde es jemals zur Erschließung der Mecklenburger Seenplatte kommen? Eine Frage, die es in den nächsten 58 Stunden zu beantworten galt!
Samstag, 16.07.1994
Samstag 14.00 Uhr, es waren noch 18 Stunden bis zum Start. Die Expeditionsmitglieder versammelten sich im Basiscamp, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Unstimmigkeiten mit der Fahrtenleitung schienen beseitigt zu sein. Doch man spürte die weiterhin anhaltende Spannung zwischen den Fronten.
Samstag 18.15 Uhr, die Teilnehmerzahl hatte sich inzwischen auf 8 Personen eingepegelt.
Sonntag, 17.07.1994
Sonntag 8.00 Uhr 10 Minuten, das letzte Expeditionsmitglied wurde in der Außenstelle Hochstraße aufgelesen. Auf der Autobahnauffahrt machte sich eine allgemeine Enttäuschung breit. Eine leere Autobahn, das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Sollte es wirklich keinen Stau geben, nicht einmal ein bißchen zähfließenden Verkehr?
Der erste Zwischenstop war, dank einer von Werner ausgearbeiteteten Spezialkarte, in einem Restaurant mit dem zwielichtigen Namen "Mc Donalds" geplant. Doch der hohe Kraftstoffverbrauch, verursacht durch die enormen Lasten des Expeditionsmaterials, zwang uns dazu, bereits in Helmstedt die Benzinreserven wieder aufzustocken.
Gegen 15.00 Uhr MEZ erreichten wir endlich den Bestimmungsort Rheinsberg. Das Ausgangslager der Mecklenburger Seenplatten-Tour wurde in einer ausgedienten FDGB Hotelanlage errichtet. Dort hatten wir bereits den ersten Kontakt mit der hier heimischen Fauna. Kleine Insekten belästigten unser Team mit ihren blutrünstigen, spitzen Rüsseln und hinterließen bei einigen Expeditionsmitgliedern pokenartige Erhebungen auf der Haut. Ratz muste dabei einen Rekordanzahl von 25 Stichen verzeichnen. Wir tauften dieses lästige Ungeziefer auf den lateinischen Namen "Cúlex pípiens", zu deutsch Mücke.
Schwierigkeiten ergaben sich bei dem öffnen der von der Reise gut geschüttelten 5l Adelskronen Partyfäschen, so daß sich nur noch eine effektive Ausbeute von 4,5l erzielen ließ.
Montag, 18.07.1994
Der ungewöhnlich frühe Aufbruch um ca. 10.00 Uhr ging zunächst in Richtung Rheinsberg, wo wir mit einer Arie des hiesigen Theaters empfangen wurden. Wegen der Eile, zu der uns der Fahrtenleiter anhielt, war es nur ein kurzer Aufenthalt in diesem kleinen, historischen Städtchen.
Nun zeigte Werner auf einmal sein wahres Gesicht, nämlich das eines Galeerentreibers. So jagten wir von Kanal zu Kanal und von See zu See. Nur eine kurze Rast in Zechliner Hütte wurde uns gewährt. Selbst eines der Expeditionsmitglieder schien auf die Seite der Fahrtenleitung übergewechselt zu sein. Burkhard hatte sich selbst die Zeit zur Zeltplatzsuche erst ab 17.00 Uhr gesetzt und versuchte auch das restliche Team von seiner 17.00 Uhr-Theorie zu überzeugen. Gegen 18.00 Uhr hatten wir endlich einen Zeltplatz auf einem Privatgelände gefunden. Hier fand auch der erste Kontakt mit einem Eingeborenen statt. Der Eigentümer dieses Geländes hatte uns nach größten Überredungskünsten die Einwilligung zum Aufschlagen unseres Camps gegeben.
An diesem Abend wurden endlich die letzten Bratwürstchen "verbraten", worüber alle glücklich waren. Zu diesem Festmahl hatten wir natürlich auch die gastfreundlichen Eingeborenen eingeladen.
Dienstag, 19.07.1994
Beim Frühstück bereitete Renate ihre ersten Schwerkraftversuche vor, wobei sie einen Margarinetopf zu Hilfe nahm. Die bewährte Abendgymnasiastin stellte dabei fest, daß die Erdanziehungskraft in Mecklenburg ähnliche Werte aufwies wie in Hagen.
Was wir am Kamener Kreuz nicht erleben durften, ereignete sich an der Canower Schleuse. Der nicht ganz 160km lange Stau, bestehend aus Motorbooten, Faltbooten, Kajaks und Kanadier, war endlich nach 1½ Stunden überwunden. Nach der Schleuse mußten wir eine neue Rechts-Links-Definition von der Fahrtenleitung über uns ergehen lassen.
Eine längere Überfahrt über den Rätzsee, benannt nach einem unserer Expeditionsmitglieder, erwies sich als äußerst kräfteraubend. Die anschließende Portage an der Fleether Mühle gab uns dann den Rest. Selbst die Fahrtenleitung gab ihr Einverständnis für die Suche eines geeigneten Zeltplatzes, was natürlich alle verwunderte, aber mit Begeisterung zur Kenntnis genommen wurde.
Mittwoch, 20.07.1994
Auch an diesem Morgen war der Renate-Margarine Konflikt noch nicht ganz ausgestanden. Beim Spülen am "FKK-Strand" hatte Ratz Probleme, die Bürste und die Teller ruhig zu halten, aber zum Glück hatte Ulli alles unter Kontrolle.
Unsere Route führte uns weiter bis nach Mirow. Während der Autoversetzung wurden die Tabak- und Bierreserven wieder aufgefüllt. Weiter ging es durch die Müritz-Havel-Kanal Schleuse, was bei der Hitze für einen angenehmen Zwischenstop sorgte. Heute war es das erste Mal, daß die Expeditionsmitglieder auf Weiterfahrt plädierten, obwohl die Fahrtenleitung einen geeigneten Zeltplatz gefunden hatte. Bei einer Dose Schultenbräu wurde dieses unerwartete Problem ausdiskutiert. Endlich entschied man sich gegen 18.00 Uhr den von Werner angebotenen Zeltplatz anzunehmen.
Beim Baden im Kanal mußte Thorstens Brille, die von Ratz geschickt in das Wasser gekickt wurde, unter lebensbedrohlichen Bedingungen wieder geborgen werden.
Donnerstag, 21.07.1994
Um 8.00 Uhr war die Hitze bereits so groß, daß man es in den Zelten nicht mehr aushielt. Auch der weitere Tag auf der Müritz verlief unter dem Zeichen der sengenden Sonne. Einige Expeditionsmitglieder litten bereits unter schweren Sonnenbränden und diversen Hautausschlägen.
Auf der Müritz gab es wieder eine Auseinandersetzung mit der Fahrtenleitung über die Orientierung. Die Werft in Rechlin Nord wurde für das Mittagsmahl angesteuert. Weiter ging es entlang der Küste bis zum Campingplatz Boek. Hier wurden die Zelte für diese Nacht aufgestellt.
Besonderen Gefallen hatten tausende von Rapskäfern an Thorstens gelben Zelt gefunden, aber auch unsere Hocker und T-Shirts blieben nicht verschont. Es läßt sich nur noch vermuten, ob Werner beim Setzen 100 oder 200 auf einen Streich erwischt hatte. Der Rapskäferplage folgte sogleich wieder eine Mückenplage. Da wir uns dazu entschlossen hatten, Ratz doch nicht als Köder am nächsten Baum zu hängen, wurde man regelrecht ins Bett gestochen.
Freitag, 22.07.1994
Pünktlich zum Frühstück fanden sich die Rapskäfer wieder ein, das gab natürlich ein größeres Margarineproblem, als die Tage zuvor mit Renate. Sollten wir die Margarine in den Dreck werfen, oder hätten wir sie gleich den Käfern überlassen sollen? Nachdem jeder mit Hängen und Würgen (Käfer) das Essen runter gebracht hatte, ging es weiter in die endlosen Weiten der Müritz. Werner wollte eine Abkürzung durch ein Naturschutzgebiet nehmen, sah davon aber ab, als er mit "Brune" beschimpft wurde. Nach 15km "offenes Meer" suchte die Mannschaft erst einmal Erholung in der "Waldschenke". Ein offenbar mücken- und käferfreier Zeltplatz wurde direkt am Reeckkanal gefunden. Ob es auch frei von Ungeziefer bleiben würde, war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiß. Der Forstaufseher, der uns wegen der Waldbrandstufe IV von diesem ruhigen Plätzchen direkt an die Bundeswasserstraße "B54" vertreiben wollte, wurde von Werner systematisch besinnungslos gelabert. Er ergab sich dem Redeschwall von Werner und räumte uns eine Frist bis zum nächsten Morgen 9.00 Uhr ein.
Samstag, 23.07.1994
Wegen der 9.00 Uhr-Grenze, machte sich die Mannschaft schon um 7.00 Uhr daran, das Lager abzubrechen. Nach dem Frühstück verteilte der Medizinmann Werner goßzügig seine Tavegil Tabletten (Ullis schlimmer Finger, Ratz seine Sonnenallergie).
Bereits viertel vor neun befanden sich sämtliche Boote auf dem Wasser. Das Boot von Käpten Werner war durch die Mineraliensammlung von Patrick und Vanessa völlig überladen, und hielt sich gerade eben über Wasser. Die lange Fahrt auf dem Kölpinsee wurde mit einem erfrischenden Bad im Fleesensee belohnt. In Malchow kehrten einige Mannschaftsmitglieder zum Mittagessen in einen original- mecklenburgischem Gasthof, namens "Don Camillo" ein. Hier wurden die für diese Gegend typischen Gerichte wie Tono- und Capricciosapizza serviert. Die weitere Strecke glich mehr einer Rennpiste für Motorboote, doch unsere erfahrenen Steuerleute meisterten den Wellengang perfekt.
Die Streitigkeiten bei der Abendessenszubereitung wurden mit größter Wahrscheinlichkeit durch Werner ausgelöst. Da Burkhard seine Portion angeblich schon auf dem Boden wiedersah, gab er zu allem Überfluß auch noch seinen Senf dazu. Die Köchin drohte mit einem gerechtfertigten: "Dann kocht doch selbst!" 1) Die Fahrtenleitung reagierte daraufhin mit einer Nahrungsverweigerung. Der Abend wurde mit der Widmung von Renates Karte an Ralf beschlossen.
1) Die Fahrtenleitung hat eine Zensierung des kursiv markierten Textes verlangt!
Sonntag, 24.07.1994
Die Hitze trieb uns wieder um 8.00 Uhr aus den Zelten. Der letzte Tag der Expedition hatte hiermit begonnen. Das Expeditionsmaterial wurde zusammengepackt und in den Autos verstaut. Ein letzter Blick wurde auf die wertvolle Minerialiensammlung von Patrick geworfen. Eine Auswertung dieser seltenen Funde wird wohl in den nächsten Wochen erfolgen. Beim Frühstück kam man so sehr ins Schwitzen, daß die Mannschaft überlegte, sich vielleicht doch noch ein letztes Bad im Petersdorfer See zu genehmigen. Doch die Zeit drängte, und um 10.00 Uhr ging es in Richtung Heimat. Schließlich mußte der Zeitplan eingehalten werden.
Was auf der Hinfahrt mißlang, scheiterte auf der Rückreise erst recht. Ein "Drive In" wurde von Altpfadfinder Werner ausgespäht, aber die sonst so gute Nase für Milch-Shakes führte ihn diesmal in die Irre. Vielleicht hätte er besser doch nicht die neue Rechts-Links-Definition anwenden sollen. So mußte die Raststätte Wildeshausen angesteuert werden.
Zeitplangemäß um 16.15 Uhr fuhren die schwer beladenen Expeditionsfahrzeuge am Basiscamp in Dahl vor. Beim Auspacken der Materialien wurde festgestellt, daß der Schlüssel für die Außenstelle Hochstraße abhandengekommen war. Nach einer größeren Suchaktion, bei der sämtliche Seesäcke zweimal durchwühlt wurden, fand man den wichtigen Türöffner zwischen den Autositzen endlich wieder.
Die Beendigung dieser erfolgreichen Expedition wurde von einigen Teilnehmern im Restaurant Syrtaki, bei einem Glas Bier und gutem Essen, nochmal so richtig verdaut. Hierbei wurde festgestellt, daß sich alle Anwesenden schon auf das heimische Bett freuten.
Das Expeditionsteam:
Stehend: Werner Nockemann,Burkhard Kepper, Ulrike Körner |
Hockend: Detlef Retzlaff, Thorsten Schneider, Renate Gramsch |
Knieend: Patrik Meyer, Vanessa Erkens |
Die Aufgabenverteilung und Funktionen:
Werner Nockemann: | Fahrtenleitung, Logistik, Medizinmann |
Thorsten Schneider: | Wissenschaftlicher Berater bezüglich Umweltschutz |
Ulrike Körner: | Wissenschaftliche Mitarbeiterin |
Renate Gramsch: | Physikalische Betreuung der Magarinetöpfe |
Burkhard Kepper: | Fotografische Leitung |
Detlef Retzlaff: | Reportage und Berichterstattung |
Patrik Meyer: | Mineralienforschung, der Mann mit der Rolle |
Vanessa Erkens: | Mineralienforschung, Nervensäge |