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Main von Mainleus nach Zeil

 

Donnerstag, 09.08.2001

Warum einige Expeditionsmitglieder eine „Abkürzung“, von Darmstadt zum Main über Dahl, nehmen sollten, war Ratz immer noch nicht ganz einleuchtend, aber die Furcht vor einer wirren Geschichte über defekte Stoßdämpfer, den TÜV und Harry, hielten Ratz davon ab, dieses Thema erneut bei Werner anzusprechen.
Je näher der Abfahrtstermin heranrückte, desto mehr schlechte Erinnerungen der vergangenen Kanuexpeditionen drängten aus den Tiefen des Unterbewusstseins an die Oberfläche des Großhirnlappens: „hygienisches“ Grillrost, Schultenbräu, nörgelnde Kinder, meckernder Werner, schleckende Petzi, „schleppende“ Wehre, viel Sonne, wenig Schatten, Werners Messer, Aldi Fleischwurst, Aldi Frikadellen, Aldi Leberkäse, Aldi .....
Man ist sicherlich gut beraten, sich nach dieser Kanutour eine Woche Erholungsurlaub zu gönnen.
Anfang des Jahres wurde die Anzahl der Expeditionsmitglieder auf ca. 20 geschätzt. Aus Erfahrungen der vergangenen Jahre kann man die genaue Anzahl erst am Tag der Abreise zuverlässig bestimmen. Einen Tag vor dem Expeditionsstart hat sich die Mannschaftsgröße auf sechs eingepegelt. Immerhin sind es noch 16 Stunden bis zur Abfahrt und in dieser Zeit kann noch viel passieren.

 

Freitag, 10.08.2001

Vier Expeditionsmitglieder sollten sich am Basislager treffen. Zwei weitere würden in Lüdenscheid dazustoßen. Das mehrmalige überprüfen und summieren, der erschienen Personen am Basislager ergab ein Ergebnis von drei. Einer zu wenig: Marcel! „Marcel fährt mit, da er das Handy dabei hat!“, behauptete Werner. Das leuchtete allen ein und wir machten uns auf den Weg, Marcel aufzusuchen.
Erst nach anhaltendem klingeln und klopfen konnte Marcel dazu aufgefordert werden, seinen Schlaf zu unterbrechen, um kurzfristig seine sieben Sachen einzupacken und in einem bereit stehenden Fahrzeug weiter zu schlafen. Das Abholen der Lüdenscheider Crew erwies sich als unproblematischer.
In Bamberg meldete sich Ratzes Magen, um ihn aufzufordern einen kleinen Zwischenstop zwecks Nahrungsaufnahme einzulegen. Die Vorfreude auf eine Aldi Frikadelle, zwischen zwei Aldi Sandwichscheiben, garniert mit Aldi Senf, der am Dienstag sein Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen wird, ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Um so größer war die Enttäuschung, als wir feststellten, dass ein großer Teil unserer Lebensmittelvorräte noch in einem Dahler Kühlschrank lagerte. Glücklicherweise bemerkten wir diesen Umstand vor den Ladenschließungszeiten und konnten so unser Abendbrot durch Zukauf neuer Lebensmittelreserven sichern.
In Mainleus wurde das erste Lager errichtet und schon bald brutzelte unser neuer Proviant, fränkische Rostbratwürstchen, auf dem hygienischen Grillrost vor sich hin, um den Bestimmungsort ihres Daseins wohl gebräunt, für Marcel eher geschwärzt, zu erreichen. Selbst Petzi entwickelte eine Vorliebe für diese Delikatesse und nutzte einen unbeobachteten Moment, um eine jener wohlschmeckenden Spezialität dieser Region erfolgreich habhaft zu werden.

 

Samstag, 11.08.2001

Werner wollte sicher nicht appetithemmend auf das Frühstücksgeschehen einwirken, als er über den Zustand seines Schlafsackes berichtete: Kleine Verunreinigungen hervorgerufen durch Petzis Ausscheidung von Körperflüssigkeit, die wiederum das Ergebnis ihres weiblichen Zyklus waren.

 

Alles für den PopoIn Mainleus sollten noch ein paar kleine Einkäufe in dem ortsansässigen Rewe Laden getätigt werden, was allerdings, wegen der gähnenden Leere in den Regalen, sich zu einem schier unmöglichen Unternehmen entwickelte. Dieser Umstand erwies sich beim Beladen der Boote als unschätzbarer Vorteil, da jene kleinen Einkäufe vermutlich die Canadier zum kentern gebracht hätten.
Endlich auf dem Wasser dauerte es auch nicht lange, bis das erste Hindernis, in Form eines Wehres, auftauchte. Dieses Wehr entpuppte sich als ein sogennantes Werra Wehr. Alle Wehre der Werra muss man großräumig Umtragen, so auch unser heutiges Hindernis.
Nach den erlittenen Strapazen und dem Sichten des Kartenmaterials wurde uns klar, dass noch ein Werra Wehr, bei Hochstadt, vor uns lag. Wir setzten uns dieses Wehr als heutiges Ziel und Lager, um wenigstens einmal be- und entladen einzusparen.
Nach drei weiteren Wehren, die mit relativ geringem Aufwand, aber mit beträchtlichem ziehen, zerren und hieven der Boote, überwunden werden konnten, erreichten wir tatsächlich, „hinter der nächsten Kurve“, unser heutiges Etappenziel: Wehr Hochstadt.

 

Sonntag, 12.08.2001

Gut, dass gleich neben dem Wehr eine Aral Tankstelle lag. So brauchten wir, auch an einem Sonntag, nicht auf Brötchen verzichten. Die Stärkung mit Brötchen hatten wir auch bitter nötig, lag doch das zeitaufwendige Umtragen des Wehres noch vor uns.
Heute lagen nur drei Wehre auf unserer Strecke, wobei das erste Wehr Michelau sogar fahrbar war. Somit stand uns eine „erholsame“ Fahrt durch die Mainauen bevor.
Marcels Verdauungssystem hatte sich bereits den veränderten Verhältnissen auf einer Kanutour hervorragen angepasst. Folglich konnte er an diesem Tag zweimal eine Darmentleerung unter Büschen zelebrieren.
Den von Werner vorgeschlagenen Zeltplatz direkt in Lichtenfels City lehnte die Mannschaft wegen der Präsentiertellerposition geschlossen ab. 200m weiter flussabwärts fanden wir schließlich ein etwas ruhigeres Plätzchen mit Stadtnähe.

 

Sarah, Alina, Marcel und Ratz nutzten den heutigen Abend zu einer Grundreinigung im Main. Hansi, Werner und Petzi waren der Meinung noch nicht unter Atemnot zu leiden und verschoben die nötige Waschung auf einen späteren, noch nicht klar definierten Zeitpunkt: „Vielleicht morgen!"

Unsere SpülmaschineBeim Lagerfeuer berichtete Werner uns von einem UTO (Unbekanntes Teller Objekt), das er sich in Schwerte kaufen wird. Bei dem UTO handelte es sich um einen nicht flachen, aber auch nicht tiefen, auch nicht schüsselförmigen, tarnblauen Teller. Angeblich könne man auf diesem UTO selbst hartnäckigen Schmutz nicht erkennen und die machte das Spülen folglich überflüssig. Wir befürchteten, dass Petzi über so einen UTO sehr enttäuscht sein würde, da sie nicht mehr zum Einsatz als Spülmaschine käme.

 

Montag, 13.08.2001

Lager LichtenfelsWährend Marcel den Wetterbericht per SMS erhält, „trocken, 28 Grad“, müssen wir doch noch das Tarp aufbauen, um beim Frühstück vor dem aufkommenden Regen geschützt zu sein. Marcel verdrückte an diesem Morgen fünf Brötchen und man brauchte auch nicht lange auf die fällige Darmentleerung warten.
Alina lehnte es ab, ihr nasses Haarband an Petzis Schwanz zu befestigen, um es durch das Wedeln zu trocknen.

 

Allem Anschein nach hat sich Alina bei uns angesteckt. Sie redete auch schon so ein wirres Zeug wie wir. Aber nach dem wir über die verwandtschaftlichen Verhältnisse mit Werner aufgeklärt wurden, brauchten wir uns über nichts mehr zu wundern.


Endlich FrikadellenBevor wir die Weiterfahrt fortsetzten, stockten wir in Lichtenfels noch unsere Vorräte auf. Ein Wehr lag auf unserer Route, was wir aber mit Leichtigkeit bewältigten. Das nächste Lager erbauten wir schließlich in der Nähe von Staffelstein.


Heute wurden endlich die lang ersehnten, in Lichtenfels erstandenen Frikadellen gegrillt. Auch die berühmt-berüchtigten fränkischen Rostbratwürstchen standen auf dem Speiseplan. Daher konnte Hansi heute auch erfolgreich den Senf noch vor dem Verfallsdatum leeren. Petzis Jagd nach einem der Würstchen war heute allerdings nicht besonders aussichtsreich.

 

Dienstag, 14.08.2001

In einer Rekord verdächtigen Zeit hatten wir die Zelte abgebaut und die Boote beladen. Bereits um 10:20 Uhr befanden sich alle Lastkähne auf dem Wasser.
Wegen des Feiertags am Mittwoch mussten wir noch einige Vorräte besorgen. In Zapfendorf wurde hierzu ein Edeka Markt ausgekundschaftet, der ca. zwei Kilometer vom Main entfernt war. Daher entschieden wir uns, den Einkaufswagen auszuleihen. Die Einheimischen schauten zwar blöd, wie wir mit dem Einkaufswagen durch das Dorf zogen, doch bei der Hitze war das Vehikel eine erhebliche Erleichterung beim Transport des Nachschubs. Auf dem Bahnübergang blieb ein Rad des Einkaufswagens in den Schienen hängen und eine Palette Dosenbier verteilte sich über die Gleise. Eine Minute nach der Räumung der Unfallstelle senkten sich auch schon die Schranken und ein ICE rauschte an uns vorbei. Den Einkaufswagen entsorgten wir auf einen in der Nähe liegenden Schrottplatz.

 

Der erste Zeltplatz, an einer Kiesgrube, wurde von Marcel, Sarah und Hansi wegen stinkendem Wasser abgelehnt. Erst nach zwei anstrengenden Kilometern paddeln änderte Marcel seine Meinung über den Zustand des Wassers an der Kiesgrube. Doch es gab kein zurück.
Das Fischsterben beginntDie Festlegung des genauen Standortes unseres heutigen Lagers erwies sich als äußerst schwierig. Daher sollte Marcel in beiden Richtungen 500 Meter am Ufer entlag laufen und das Kilometerschild suchen.
Heute geschah das Unvermeidliche: Hansi, Werner und Petzi gingen baden! Vermutluch wird das Fischsterben im Main in den nächsten Tagen erheblich zunehmen.
Abends gesellten sich noch zwei Kanuten aus Kitzingen zu uns. An der Sonnenbräune erkannte man einen als Kajakfahrer: Ab Po abwärts weiß. Der Dialekt der Beiden war dermaßen unverständlich, dass Alina nach einem Simultanübersetzer verlangte.

 

Mittwoch, 15.08.2001

Die AmadaDieser Morgen begann mit einem Massenmord in Zelt Nummer fünf. Alina und Sarah entdeckten, dass sie ihr Zelt auf einem Ameisennest errichtet hatten.
Die Käseesser hatten heute mit erheblichen Schwierigkeiten beim Frühstück zu kämpfen. Durch die anhaltende Hitze der letzten Tage ist der Scheibenkäse zu einer undefinierbaren, klebrigen Masse zusammengeschmolzen. Über die Entsorgung des Spülwassers brauchten wir uns heute keine Gedanken machen, dies hatte Petzi bereits ausgesoffen.
Beim Beladen der Boote fiel auf, dass wir bereits seit Tagen keinen Müll mehr entsorgt hatten. Das Müllboot „Dirty Harry“ fuhr voraus und zog einen penetranten Gestank hinter sich her. Gegen Mittag sichtete Ratz an der Uferpromenade von Hallstadt zwei Abfalleimer und das Müllproblem war gelöst. Das pro Kopf Müllaufkommen in diesem Dorf, wird in dieser Woche um 200% gestiegen sein.

 

Kapitän WernerZur Trinkwasser-Aufnahme wollten wir den im Flussführer bei Kilometer 385 ausgewiesenen Bamberger Kanuclub aufsuchen. Aber, bei Kilometer 385 war weit und breit nichts von einem Kanuclub zu sehen. Bei der Suche nach Trinkwasser fuhren wir verbotenerweise in den Yachthafen „Marina Trosdorf“ ein. Nachdem Werner den aufgebrachten Hafenmeister besinnungslos gelabert hatte, bekamen wir auch das ersehnte Trinkwasser. Wir erhielten sogar die Erlaubnis die Toiletten zwecks Darmentleerung aufzusuchen.
Bis zur Schleuse Viereth hatten wir mit erheblichem Seegang, ausgelöst durch die Motorboote der Wasserskistrecke, zu kämpfen. Die laut Flussführer vorhandene elektrische Gleislore für Sportboote war nur noch eine Ruine. Zum Glück durften wir mit dem Frachter „Eilfracht“ zusammen in der großen Schleuse eine Talfahrt genießen. Direkt hinter der Schleuse fanden wir unser Lager für die nächste Nacht.

 

Donnerstag, 16.08.2001

Toast überbackenDas morgendliche Frühstück nahmen wir ausnahmsweise mal im Schatten zu uns. Zum ersten Mal entschied Ratz sich für Marmelade als Brotaufstrich, in der Hoffnung, dass Konfitüre nach einer mehrtägigen Hitzebehandlung noch einigermaßen appetitlich aussehen würden.
Die Weiterfahrt auf dem Rhein-Main-Donau-Kanal wurde wegen der Sonne und dem fehlenden Schatten unerträglich. Folglich wurde die Siesta auf drei Stunden ausgedehnt.
Neuen Nachschub konnten wir in Eltmann an Bord nehmen. Da es sich bei dem Einkaufsladen um ein „Ship In“ handelte, brauchten wir uns diesmal auch keinen Einkaufswagen ausleihen. Bedingt durch den Wellengang vorbeifahrender Schiffe, wurde das Verstauen des Proviants erschwert.
Das letzte Wehr unserer Fahrt hatte eine intakt aussehende Sportbootschleuse. Sie war gefüllt und somit sofort zu einer Talfahrt bereit. Wir fuhren unsere Lastkähne in die Schleuse ein und Werner macht sich sofort daran eine Talfahrt einzuleiten. Die in Schneckentempo beginnende Talfahrt ließ auf einen Bedienungsfehler durch Werner vermuten. Nach mehrmaligem Durchlesen der Gebrauchsanweisung konnte aber eine fehlerhafte Bedienung ausgeschlossen werden. Hansi wurde es untersagt, auch nur einen Tropfen Wasser zu lassen, um eine Verzögerung der Talfahrt zu vermeiden. Nach der einstündigen Schleusenfahrt wurde es auch Zeit, sich nach einem Lagerplatz umzuschauen.
Ein zahnloser Schäfer verjagte uns von unserem ersten Platz, indem er behauptete, alle zwei Tage würde die Polizeistreife das Naturschutzgebiet, in dem wir uns angeblich befanden, kontrollieren. Zum Glück hatten wir unsere Ladung noch nicht gelöscht und paddelten einen Kilometer weiter wo keine Polizeistreife hin kommen konnte.

 

Freitag, 17.08.2001

Heute wollten wir die Autos aus Mainleus holen. Also mussten wir ein Lager finden, das man auch mit einem PKW erreichen konnte. Werner machte den Vorschlag bis zur nächsten Brücke zu paddeln, um dort auszusetzen. Die nächste Brücke war in Zeil und die Aussatzstelle war von einem Angler besetzt. Trotz Werners Gesabbel lies sich der Angler nicht vertreiben.

 

SchuhtrocknungZwischen dem neuen Hafen und einer Fischereipacht fanden wir einen guten Platz. Die Fischereipacht besaß eine Zufahrt mit regem Autoverkehr. Als wir uns auf den Weg zum Bahnhof machten, stellten wir fest, dass die Zufahrt mit einer Schranke versehen war. Zwar war die Schranke offen, aber bis zum morgigen Tag könnte sich das sicher ändern.
1 ½ Stunden dauerte die Bahnfahrt mit zweimaligem Umsteigen. Die Autos standen tatsächlich noch in Mainleus und waren unversehrt. Wegen der Schranke stellten wir die Fahrzeuge vorsichtshalber im Hafen ab. Auf dem Weg zum Lager fanden wir eine etwas holperige Zufahrt über den Hafen, die man zur Not benutzen konnte.
Hansi wollte eigentlich nur ein Fußbad nehmen. Aber Kinder können ja so gemein sein und gaben ihm einen kleinen Schubs. Was wird wohl seine Frau sagen? „Wo warst du! Jedenfalls nicht auf einer Kanutour, dazu bist du viel zu sauber!“, und anschließend eine deftige Ohrfeige, stellten wir uns vor.
Dafür das Sarahs Handyakku bereits am zweiten Tag leer war, hielt er sich für das heutige Gespräch mit Mama noch recht fit. Wir vermuten, dass das Handy über eine „Automatische Schallwellen Ladefunktion“ verfügt und der Akku während der Gespräche somit geladen wird. Zum feierlichen Abschluss unserer Fahrt legten wir mal wieder die fränkischen Rostbratwürstchen auf unseren Grillrost.

 

Samstag, 18.08.2001

Das nächtliche Gewitter legte fast alle Zelte unter Wasser. Werner und Ratz vermieden das Tropfen ins Gesicht, in dem sie die Kopf- und Fußseite wechselten. Alina und Sarah bauten mit ihren Klamotten im Zelt Staudämme, um die eindringenden Fluten zu regulieren. Hansi und Marcel schliefen ungestört weiter. Die Schranke war immer noch offen und somit beluden wir zum letzten Mal die Boote und Autos. Unterwegs Richtung Heimat fanden wir auf einem Autobahn-Rastplatz einen schönen großen Müllcontainer, um unseren „reisebedingten Abfall“ los zu werden. „Wir haben ein großes Problem!“, behauptete Sarah bei einer Rast, „Der Akku ist leer und auf der Karte ist kein Guthaben mehr! Wie können wir jetzt Mama erreichen?“ Was haben wir früher bloß ohne Handys gemacht?

 

Die Mannschaft 2001:

 

Sarah
Sarah
Ratz
Ratz
Hansi
Hansi
Marcel
Marcel
Alina
Alina
Werner
Werner
Petzi
Petzi